1938 wurden die Brüder Menachem Mayer und Fred Raymes aus Hoffenheim vertrieben und die Synagoge ihres Vaters zerstört. Der SA-Oberbefehlshaber zu der Zeit war Emil Hopp, der Vater von Dietmar Hopp. Ein Thread über Menachem Mayer und Fred Raymes: (1/37) #FridayThreads


Die beiden Brüder, Menachem Mayer und Fred Raymes (früher Heinz und Manfred Mayer), sind in der NS-Zeit in Hoffenheim aufgewachsen. Karl Mayer, der Vater der beiden Brüder, war Viehhändler und Synagogendiener in der örtlichen Synagoge. (2/37)


Fred Raymes ist drei Jahre älter als sein Bruder und konnte sich noch an den Antisemitismus in Hoffenheim erinnern. Von den Nachbarn wurden sie gemieden und von der heimischen Dorfjugend verprügelt und mit Steinen beworfen worden. (3/37)


Den ersten Kontakt mit dem SA-Anführer Emil Hopp, dem Vater von Dietmar Hopp, gab es im Jahr 1935. Mit zwei weiteren Personen brach Emil Hopp in die Synagoge ein und lieferte sich mit dem Vater eine Prügelei. Die Mayers wohnten in der Dienstwohnung der Synagoge. (4/37)


1938 war Fred 9 Jahre alt und Menachem 6 Jahre alt. Sie gingen zur örtlichen Schule und Fred war sogar mit der Schwester von Dietmar Hopp, Carola Hopp, in einer Klasse. Emil Hopp, der SA-Anführer, war Lehrer des Dorfes. (5/37)


In der Pogromnacht am 10.11.1938 stachelte Emil Hopp die Dorfbewohner an und gab den SA-Männern den Befehl, die Synagoge in Hoffenheim zu zerstören. Angezündet wurde die Synagoge nur deswegen nicht, weil sie zu nah an den Nachbarhäusern stand. (6/37)


"Jetzt können Sie zeigen, ob sie Nationalsozialisten sind oder nicht", spornte Emil Hopp die Bürger von Hoffenheim an. Und der Bruder von Dietmar Hopp, Rüdiger Hopp, gehorchte: "Unser Vater war ein überzeugter Antisemit.“ (7/37)


"Ich stand auf der Straße und sah zu, wie die Randalierer unsere Möbel aus dem Fenster im ersten Stock warfen." - erinnert sich Menachem. Die Familie Mayer wurde aus der Synagoge vertrieben und musste bei Verwandten unterschlüpfen. (8/37)


1940 wird die Familie Mayer von der Gestapo verhaftet und in den Süden Frankreichs, ins Konzentrationslager Gurs deportiert. Mit 6.500 weiteren Juden leben sie dort unter schrecklichen Zuständen. (9/37)


Im Winter 1940 entschließen sich die Eltern, sich von ihren Kindern zu trennen und sie einem Kinderschutzbund anzuvertrauen. Der Vater hebt die beiden Brüder ungesehen auf einen Viehwagen, sodass sie aus dem Konzentrationslager fliehen können. (10/37)


Fred und Menachem kommen in ein Waisenhaus in Aspet unter. Eine Hilfsorganisation der französischen Regierung versteckte die beiden Brüder dort im Untergrund. Beide überlebten so den Krieg. (11/37)


1941 werden die Eltern von Menachem und Fred ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und ermordet. Am 10.08.1942 hören die Brüder zum letzten Mal von ihren Eltern, der Vater schreibt: "Vertragt Euch, Manfred und Heinz, das sind meine Sorgen." (12/37)


Fred und Menachem gingen zunächst in die Schweiz und dort entschieden sie sich, sich zu trennen, da Fred beschließt, mit 17 Jahren in die USA auszuwandern. Er wollte Europa unbedingt verlassen. (13/37)


Bei der Einwanderung wurde er gefragt, ob er seinen Namen behalten wolle. Er lehnte ab und nannte sich nun Fred Raymes. Seine jüdische Herkunft bedeutet ihm fortan nicht viel, er verschweigt seine Wurzeln. (14/37)


Die deutsche Sprache "löscht" Fred aus seinem Kopf. Er lernt Englisch und findet Arbeit als Raumfahrttechniker bei der NASA. Er gründet eine Familie, lässt sich in Florida nieder und verbringt dort sein restliches Leben. (15/37)


Bereits früh entschied sich Menachem von der Schweiz aus nach Palästina einzureisen. Er nannte sich von Heinz in Menachem Mayer um und engagierte sich als Biowissenschaftler in Israel. Er gründet eine Familie und lebt als Siedler in der Westbank Israels. (16/37)


26 Jahre vergehen bis die beiden Brüder wieder Kontakt zueinander haben. Erst die alten Briefe der Mutter bringen sie wieder zusammen. Fred fand sie bei einem Umzug wieder. Er schickte sie nach Israel zu Menachem, der Fred zu einem Wiedersehen 1971 in Israel einlud. (17/37)


In den folgenden Jahren nehmen sich die Brüder vor, die Plätze ihrer Kindheit zu besuchen. Fred wird 1972 von seiner Firma nach Europa gesandt, er nutzt die Chance und besuchte Hoffenheim. Menachem ist 1974 erstmals wieder im Dorf. (18/37)


2003 entschieden sich die beiden Brüder auch, sich mit ihrer Vergangenheit öffentlich auseinanderzusetzen. Aus den Briefen ihrer Mutter lassen sie ein Buch auf Englisch und Hebräisch drucken, welches „Blühen bei euch die Bäume?“ heißt. (19/37)


Dieses Buch zwang auch die Familie Hopp, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. So Rüdiger Hopp: "Eine Bekannte meinte, es wäre am besten, die Übersetzung zu verhindern, zumindest die Namen rauszunehmen und bloß nichts Dietmar zu sagen.“ (20/37)


Rüdiger Hopp wandte sich an Matthias Uhlig, den Pfarrer des Dorfes Hoffenheim, der sich 1986 mit Menachem Mayer in Paris getroffen hatte. Uhlig machte sich für eine deutsche Übersetzung stark und hat mit der Familie Hopp die finanzielle Unterstützung. (21/37)


Die Hopps beschließen auf die Brüder Mayer zuzugehen und so kam es 2003 zwischen der Familie Hopp und den beiden Brüdern zu einem ersten Treffen in Florida. Man einigte sich auf eine deutsche Übersetzung für das Buch. (22/37)


Zunächst hatte Rüdiger Hopp Angst davor, dass Dietmar Hopp damit geschadet wird. Deswegen fragte er bei den Autoren nach, den Namen Hopp aus der deutschen Übersetzung streichen zu lassen. Die Antwort: ein "klares Nein". (23/37)


„Wenn die Opfer Namen tragen, sollten das auch die Täter.“ - sagten die Kinder der beiden Brüder. Die Familie Hopp respektierte diesen Wunsch. 2005 wurde das Buch „Aus Hoffenheim deportiert“ veröffentlicht. (24/37)


Zur Vorstellung der deutschen Übersetzung in Hoffenheim luden die Hopps beide jüdischen Familien nach Deutschland ein. Es war das erste Mal, dass sich die Kinder und Enkel der Brüder Mayer begegneten. (25/37)


Weil die Brüder zustimmten, dass ein Kamerateam diese Rückkehr sowie weitere Besuche in Hoffenheim, Gurs und Auschwitz begleitet, ist ein Dokumentarfilm darüber entstanden, der unter dem Namen "Menachem und Fred" 2009 in die deutschen Kinos kam. (26/37)


Menachem Mayer erzählt: "Es ist wichtig. Es war emotional schwer, und manchmal haben wir gezweifelt, uns für diesen Film zu entscheiden. Wir wollten ein Zeugnis für die Zukunft geben.“ (27/37)


Wir haben unsere Unterstützung für den Film zugesagt unter der Bedingung, dass nicht wir, sondern die Familien Mayer und Raymes im Mittelpunkt stehen"- erzählt Rüdiger Hopp. (28/37)


Die Familie Hopp sorgte für eine Gedenktafel in Hoffenheim und die beiden Brüder wurden für den „Award for the Most Inspirational Movie of the Year“ ausgezeichnet. "Ohne Dietmars Geld wäre das nicht möglich gewesen.“ – glaubt Menachem Mayer. (29/37)


Zwischen den Familien des damaligen Täters und der Opfer hat sich nun eine Freundschaft entwickelt. Man telefoniert regelmäßig und fährt gemeinsam in den Urlaub. Menachem: "Wir schreiben uns regelmäßig, beinahe wöchentlich. Da hat ein starker Heilungsprozess begonnen." (30/37)


Beide Brüder wissen, dass sie das Richtige tun, wenn sie ihr Schicksal erzählen und dokumentieren. Kein Ereignis wird ungeschehen gemacht, doch Hoffnung bleibt. Fred Raymes ist am 11.06.2013 in Florida verstorben. Menachem Mayer lebt als Rentner in Israel. (31/37)


Dietmar Hopp selbst wurde erst durch die Buchveröffentlichung mit der Vergangenheit seines Vaters konfrontiert und zeigte sich damals ahnungslos: "Ich habe 2005 das erste Mal wahrgenommen, was unser Vater wirklich gemacht hat. Das war beklemmend." (32/37)


Einen faden Beigeschmack haben einige Aussagen von Dietmar Hopp. In der FAS gab er ein Interview: „Was er getan hat, ist zu verurteilen.“ - erzählte er im Interview über seinen Vater und er hätte es nur bei diesem einen Satz belassen sollen. (33/37)


„Auch wenn niemand dabei gestorben ist und er nicht für die Verschleppung der Juden in Hoffenheim zuständig war.“ War also nicht so schlimm. Ein Fall von minder schwerer Schuld, sozusagen. (34/37)


Hopp weiter: „Als er 1938 den Auftrag bekam, die Synagoge in Hoffenheim zu zerstören, hatte er schon drei Kinder, meine älteren Geschwister. Hätte er es nicht gemacht, wäre er entlassen worden…“ (35/37)


„…Unserer Familie wäre einer hoffnungslosen Zeit entgegengegangen. Er war in französischer Kriegsgefangenschaft und hat die Familie später als Bauhilfsarbeiter durchgebracht. Er hat auch einen Preis bezahlt.“ (36/37)


Die Umkehrung vom Täter zum Opfer. Dabei ist im Fall Emil Hopp nachweislich belegt, dass er aus eigenem Antrieb gehandelt hat. Dietmar Hopp kennt die hässlichen Fakten. Doch er versucht, sie wegzureden. (37/37)


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