Die #BILD ist wieder da. Anbei ein Rekonstruktion, wie sie, gemeinsam mit Friedrich Merz, Medien & Politik vor sich hertreibt. Ein Thread: Die BILD stellt verloren gegangenes Vertrauen wieder her. Und nein, damit ist nichts gemeint, was „Kinder betrifft“ (Stichwort: Solingen).


Gemeint ist vielmehr das verloren geglaubte Vertrauen in ihre Fähigkeit politische Kampagnen lautstark in den öffentlichen Diskurs zu überführen - und nebenbei Wahlkampf für ihre Lieblingspolitiker zu machen. In diesem Fall: Friedrich Merz.


Merz und BILD teilten in der jüngeren Vergangenheit dasselbe Schicksal. Beide machten ihre Inhalts- und Konzeptlosigkeit durch krachlederne Reminiszenen an die „gute alte Zeit“ wieder wett.

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Beide stehen für Kampagnen gegen Arbeitslose (faul!), Ausländer (kriminell!) und Linke (extremistisch!). Nur waren beide im politischen Diskurs dieses Jahres wie abgemeldet.

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Merz, weil er sich durch sein Selbstverständnis als Mittelschichts-Millionär von weiten Teilen der CDU distanziert hatte, die BILD, weil Teile der Chefredaktion es geschafft hatten, den eigenen unterirdischen Qualitätsanspruch noch weiter zu unterbieten.


Medieninsider und Drogenbeauftragte würden sagen: zu pulverisieren. Doch die Zeiten sind vorbei. Merz ist wieder da. Die BILD ebenfalls. Die Kampagnenmaschine läuft wie eine routinierte Schlachterei.


Gestern lief um 21:45 das Format „Die richtigen Fragen“ auf „BILD TV“ mit Friedrich Merz. Die Relevanz der Sendung schwankte zwischen „Die schönsten Bahnstrecken Bottrops“ und „Der Bergdoktor“ hin und her.


Die politisch-investigative Haltung des Interviewers war vergleichbar mit dem Sendungskonzept des nordkoreanischen Staatsfernsehens, wann immer es über Kim Jong Un berichtet. Das wiederum war alles egal.

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Wichtig war nur die Produktion von Skandalen, Kontroversen, von knackigen Sprüchen, kurz: BILD-Schlagzeilen. Und Merz lieferte.

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Zur Kurzarbeit im Rahmen der Corona-Pandemie erklärte Merz, es gewöhnten sich zu viele Menschen daran ein Leben ohne Arbeit zu führen. Oder, um es mit der Frage des Interviewpartner-Darstellers zu sagen: „Zu viele Lehrer bleiben mit einem Schnupfen zu Hause“. Zack! Schlagzeile 1!


Auf die Frage, ob Merz Vorbehalte gegenüber einem schwulen Bundeskanzler hätte, antwortete Merz, dies sei ihm egal, solange sich dessen sexuelle Orientierung „im Rahmen von Gesetzen bewegt und solange es nicht Kinder betrifft“. Zack! Schlagzeile 2!


Beide Elfmeter versenkt, nun musste nur noch der Torjubel choreographiert werden. Der Erste, der sich lautstark über die Pädophilie-Aussage empörte und die Ideen des Merz vertweetete, war Simon Schütz, zufälligerweise Journalist bei der BILD.


Paul Ronzheimer, zufälligerweise stellvertretender BILD-Chefredakteur, empörte sich ebenfalls, verteilte den Tweet seines Kollegen Schütz und schnitt die „entscheidende Passage im Video“ heraus.


Und weil das alles noch nicht genug Traktion bekam, fragte Julius Böhm, zufälligerweise Journalist bei der BILD, den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bei einer Pressekonferenz, was dieser zu Merz Aussagen zu sagen hätte.


Spahn, das ist in diesem Kontext nicht ganz unwichtig, bewirbt sich ebenfalls für den CDU-Parteivorsitz und ist schwul. Er distanziert sich genauso wie Lars Klingbeil. Der verurteilt Merz' Pädophilie-Schwurbeleien - ausgerechnet im Gespräch mit der BILD.

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Innerhalb von 12 Stunden werden nun von allerlei Medienhäusern derart viele Zeitungsartikel über „Merz“ und „Homosexualität“ geschrieben, dass man denken könnte, der ehemalige CDU-Generalsekretär selbst hätte sich als schwul geoutet.


Unterdessen fühlt sich Merz furchtbar missverstanden und begibt sich zur WELT, der Schwesterzeitung der BILD, und erklärte in einem Interview, warum er alles genauso gemeint und gleichzeitig nicht so gemeint habe. Die Fragen an Merz waren (kein Witz!):

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Herr Merz, haben Sie ein Problem mit Schwulen? Sie werden nach Homosexualität gefragt und antworten mit einer Ablehnung von Pädophilie. Wie kommen Sie auf diesen Zusammenhang?


Wie erklären Sie sich diesen Spott und die Häme nach dem Interview? Warum versucht man Sie in eine 50er-Jahre-Ecke zu stellen? Ärgert Sie das, wenn man Ihnen Ihre Liberalität abspricht? Wundert Sie, dass da auch twitterprominente CDU-Mitglieder ganz laut gegen Sie mitlärmen?


Den Referenzrahmen für dieses Kruppstahl-harte Interview lieferte der Chefredakteur der WELT, Ulf Poschardt, der sich auf Twitter darüber beschwerte, dass im Umgang mit Friedrich Merz und Christian Lindner jedes Mittel Recht sei.


Nun, wenn schon ohnehin alle gemein zu Merz sind, muss der Merz-Fanclub ja nicht auch noch mitmachen. Was bleibt: Die BILD hat Merz geschickt in Szene gesetzt, ihn ins Gespräch gebracht, einen Skandal produziert und sich selbst zum Mittelpunkt der Berichterstattung etabliert.


Sie hat es geschafft Jens Spahn und dessen Homosexualität mit Pädophilie in Verbindung zu bringen und somit den ärgsten Konkurrenten Merz' mit Dreck zu bewerfen. Merz selbst weiß natürlich, was er wie produziert und wem er an welchen Punkten zu danken hat.


Sein Pressesprecher teilt fleißig die Aussagen Poschardts & den Artikel in der WELT. Ronzheimer wiederum teilt die Aussagen des Pressesprechers, um zu widersprechen was dessen Chef in der eigenen Zeitung gesagt hat. Ein journalistisches Perpetuum Mobile.


In der CDU ist Merz mitnichten ein Einzelfall. Die amtierende Parteichefin, AKK, verglich Homosexualität mit Inzucht, der Chef der Jugendorganisation, Tilman Kuban, ulkte über Schultoiletten für das 3. bis 312. Geschlecht. Mitnichten Einzelfälle.


Es gab auch in der SPD mal einen Politiker, der sich an Arbeitslosen und Ausländern abarbeitete, der von „Kopftuchmädchen“ sprach und damit die „Deutsche Leitkultur“ meinte, der vor „Jungs im rosa Kleidchen“ warnte, die er als „Tunten“ bezeichnete.

tagesspiegel.de/berlin/thilo-s…


Die BILD war seinerzeit begeistert von ihm und bewarb seine Ideen und seine Bücher. Sein Name: Tilo Sarrazin. Die SPD schmiss diesen Menschen mit aller Macht und allen Mitteln aus ihrer Partei. Die CDU wiederum macht ihren Sarrazin zum Kandidaten für den Parteivorsitz.


Wer den Unterschied zwischen beiden Parteien sucht: Gern geschehen. Ganz nebenbei hat die BILD ihrem neuen Eigentümer KKR bewiesen, dass sie es doch noch kann. Dass Sie in der Lage ist die Berichterstattung zu setzen und ausnahmsweise einmal nicht vollends zu versemmeln.


Dass Sie politische Kampagnen in die Welt setzen, abgehalfterte Polit-Dinosaurer im Aufzug nach oben befördern und (ganz wichtig!) BILD TV und Fernsehformate entwickeln, Reichweite und Klicks generieren kann. Auch wenn man dazu Witwen, Kinder oder Schwule schütteln muss.


Eines hat die BILD ganz eindrücklich bewiesen: Das Vertrauen in dieses Drecksblatt ist wieder hergestellt.


Währenddessen hat der wunderbare @KuehniKev detailliert aufgedröselt, was die CDU-Blase meint und bezweckt, wenn sie wiederkehrend Homosexualität in die Nähe von Kindesmissbrauch rückt.


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