Corona Update 27.11.2020: 7-Tage-Neuinfektionen seit 10 Tagen praktisch unverändert bei ~18.200/Tag, 7-Tage Inzidenz bei 154,2/100.000. Heute neuer Rekord bei Zahl der Toten (426) und schlimmste Woche überhaupt mit 1956 Todesfällen.


Ein Zoom in den Graphen zeigt, dass je nach Interpolationsmethode der 7-Tage-R-Wert seit 10 Tagen knapp über oder unter 1 liegt, ohne jegliche weitere Tendenz nach unten. Wir scheinen, was die Senkung von R betrifft, den maximalen Effekt der Maßnahmen vom 2.11. erreicht zu haben.


Um R weiter zu senken, bräuchte es neue Maßnahmen. Die am Mittwoch verabschiedeten "Verschärfungen" sind geringfügig, könnten aber mit Glück einen senkenden Einfluss in der Größenordnung von 1-5% auf den R-Wert haben. Mehr dazu unten.


Kreise in den Top 30 auf

pavelmayer.de/covid/risks/


Unter den Bundesländern ist es in Sachsen und Berlin am schlimmsten, mit 7-Tage-Inzidenzen über 200, und nur Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern liegen sehr knapp unter 50/100.000.


In Berlin stärkerere Schwankungen auch beim 7-Tage R-Wert, der derzeit auch bei 1 liegt. Zahl der Toten in den letzen 7-Tagen mehr als doppelt so hoch wie auf dem Höhepunkt der ersten Welle, die in Berlin weniger schlimm ausgefallen ist als in vielen anderen Landesteilen.


Bei den Inzidenzen in Berlin nach Altergruppen gibt es Auffälligkeiten: Nur in der Altergruppe 15-29 sinken die Zahlen. In der AG 80+ steigen sie weiter, und die 5-14-Jährigen haben die dritthöchste Inzidenz. Bei Alten und Kinder scheinen die 2.11.-Maßnahmen kaum zu wirken.


Die Testzahlen haben sich von KW46 auf 47 fast stabilisiert, nur 2,6% Rückgang. Positive Tests +1,6%, Positivenrate +4,5% von 8,99 auf 9,39%, den höchsten Wert seit Beginn der Erfassung. Kurz gesagt: Es ist schlimmer denn je und es gibt keine Trendwende.


Nach WHO-Empfehlung soll ein Testregime wohl so dimensioniert sein, dass 5% Positivenrate nicht überschritten wird, weil das Infektionsgeschehen sonst unzureichend abgebildet wird, da mit zunehmender Positivenrate die Dunkelziffer stark ansteigt. 9,39% sind eigentlich zu viel.


Man kann auch sagen, dass das neue Testregime zu restriktiv ist, weil wir die Kapazitäten nicht haben. Eigentlich müssten wir doppelt so viel testen, wie wir es derzeit tun. Dieses Problem ist aber hausgemacht, wir wussten schliesslich, dass der Winter kommt.


Hier ein Blick auf die 7-Tage-Schnitte der Fall-Inzidenzen/Mio. Einwohner der deutschen Nachbarländer:


Man sieht aber auch, dass in den verschiedenen Ländern alles mögliche passieren kann und sich der Rückgang der Zahlen auch ohne Lockerung verlangsamen (Tschechien, Belgien), stagnieren (Polen, Niederlande) oder sich umkehren kann (Luxemburg, Dänemark).


Deutschland ist insofern eine Besonderheit, als dass es bei uns bisher keinen klar indentifizierbaren Höhepunkt gab, der überschritten worden wäre, und von unseren Nachbarn hat nur Dänemark die 2. Welle ähnlich "abflachen" können wie Deutschland.


So richtig auf die Schultern klopfen können wir uns aber nicht, wenn wir uns mit anderen Gegenden der Welt vergleichen. Deutschland ist im globalen Maßstab eher Mittelmaß, was die Corona-Bekämpfung angeht und auch in Europa nicht führend.


Wie wird es weitergehen? Hier ein paar Leitlinien, wie lange es bei unterschiedlichem R dauert würde, bis wir unter 50/100.000 kommen. Natürlich wird sich die echte Entwicklung nicht an eine der Kurven halten, sondern R wird sinken und steigen und sich dazwischen bewegen.


Man kann aber etwa folgende Voraussagen machen: Schafften wir es, R unter 0,9 zu bringen und zu halten, währen wir in spätestens 7 Wochen (Januar) unter 50/100.000 und in 12 Wochen (Februar) unter 20/100.000 Neuinfektionen. Zwei bis drei Monate Lockdown.


Schafften wir gar, unter 0,8 zu bleiben, wie wir es für einige Wochen im April geschafft haben, wären wir in max. 3 Wochen unter 50 und in spätestens 6 Wochen unter 20. So, wie es sich jetzt darstellt, mit einem R von 1 oder selbst 0,95 reden wir von 4 Monaten Lockdown "light".


Ein R von 0,95 wäre aber viel besser als die 0,98 bis 1,02, die wir die letzen zehn Tage hatten. Mit jedem Tag, an dem wir in dem Bereich liegen, rücken Lockerungen einen Tag in die Ferne. Und wir haben die maximale Wirkung der Maßnahmen vom 2.11. auf R wohl hinter uns.


Eine weitere Verringerung von R kann also nur durch neue Maßnahmen kommen. Hier ist, was der Bund und die Länder so vorhaben:

bundesregierung.de/breg-de/aktuel…


Es gibt ein paar kleine Maßnahmen bei Verkaufsflächen und Maskenpflicht und viel Empfehlungen und Appelle und Abweichungsmöglichkeit. Kreise mit sinkenden Inzidenzen unter 50 können zudem "weniger" machen, was derzeit so ca. 15 von 410 Landkreise betrifft.


Landkreise über 200/100.000 können dagegen "mehr" machen, was derzeit um die 80 sind. Mehr heisst wohl im Prinzip Alles. Schulschliessungen, Betriebsschliessungen, Ausgangssperren und das Abriegeln von Gebieten, auch wenn mit keinem Wort davon die Rede ist, dass das geplant ist.


Natürlich will das auch niemand, aber es gibt keinen Plan dafür, falls die Zahlen steigen. Zumindest keinen, der öffentlich oder offiziell wäre. Der Plan ist, ggf. mehr zu tun, aber jetzt nicht darüber zu reden, was mehr bedeuten würde. Klar ist also nichts.


Bund und Länder stzten sich auch nicht irgendwelche Ziele oder Zielvorgaben, wie stark oder bis wann denn die Zahlen gesenkt werden sollen - einziges Ziel scheint die Senkung zu sein, und dafür würden weitere 5% Senkung des R-Wertes ausreichen. Ausreichend wie Schulnote 4.


Es ist auch nicht erkennbar, dass die Politik allzu hohe Ansprüche an sich selbst stellt und keine hohen Erwartungen hegt, was die Corona-Bekämpfung angeht, und für die vielen Toten geht bisher niemand auf die Straße. Man wartet und hofft wohl auf Impfstoffe.


Leider wieder kein allzu positiver Ausblick, aber wenigstens steigen die Inzidenzen in Deutschland gerade nicht, sinken in Europa, und der überwiegende Teil der Welt steht deutlich besser dar als wir, worüber man sich auch freuen kann. Haltet die Ohren steif!


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