Wir befinden uns in einem offenen Wirtschaftskrieg. Ein Szenario-🧵 Wir, das ist die NATO + Verbündete. Unser Gegner: Russland. Es geht um die Vorherrschaft in Osteuropa. Ein Krieg ist kein Spaziergang, und die Kriegsparteien werden versuchen, sich ans Limit zu bringen. 1/14


Frieden zu schließen muss das Ziel sein. Aber alle, die JETZT Frieden fordern, wollen zu einem vorherigen Status Quo zurück. Den gibt es aber nicht mehr. Wenn wir nun aufgeben, dann haben wir einen Krieg verloren - und der Gewinner diktiert Bedingungen. 2/14


Und selbst wenn Deutschland unilateral Sanktionen gegen Russland aufhebt, wird die Ukraine nicht aufhören, zu kämpfen. Außerdem würde der Rest der NATO deutschen Unternehmen kein Vertrauen mehr schenken. Wir würden unsere 'Westbindung' in Frage stellen. Geht also nicht. 3/14


Deshalb: Der Krieg wird nicht in Deutschland entschieden. Gerade wenn wir ausscheren, würden die Amerikaner und Osteuropäer ihren Einsatz verdoppeln. Und dann würde Putin Deutschland auffordern, Einfluss zu nehmen - und wieder am Gashahn spielen, um Druck aufzubauen. 4/14


Dieser Wirtschaftskrieg wird toben, bis in der Ukraine Frieden herrscht. Die Amerikaner werden nicht aufhören, die Ukraine im Freiheitskampf zu unterstützen - zumindest bis November 2024, wenn wieder Präsidentschaftswahlen sind. 5/14


Die härtesten Konsequenzen in Deutschland sind mE ab Herbst 2023 zu erwarten, wenn die Gasspeicher leerer sind als heute und der Winter naht. Um einen Kältewinter 23/24 zu vermeiden ist die optimale deutsche Strategie also, jetzt alles für einen Sieg der Ukraine zu geben. 6/14


Ich würde also erwarten, dass auf die Phase der deutlichen deutschen Zurückhaltung was Waffenlieferungen angeht nun eine Phase folgt, in der wir (zunächst nicht öffentlichkeitswirksam) deutlich präsenter unterstützen. 7/14


Es steht außer Frage, dass die erwartete Krise der Lebenshaltungskosten Unruhe stiftet. Verisk geht davon aus, dass der "Civil Unrest"-Wert für Deutschland sich bis März '23 von 6,00 auf 5,20 verschlechtert.

maplecroft.com/insights/analy…


Der Kreml hat natürlich ein großes Interesse daran, dass friedliche Demonstrationen eskalieren. Ich vermute daher stark, dass gezielte Provokationen geplant sind, und es besteht das Risiko, dass sie auch Erfolg haben. 9/14


Auf dieser Karte sehen wir, dass das Risiko eines Anstiegs ziviler Unruhen in Mittel- und Osteuropa sogar höher ist als in den USA. Das ist alles Teil des Wirtschaftskriegs, den wir nicht einseitig beenden können, ohne ihn zu verlieren.

bloomberg.com/news/articles/…


Bleibt die große Frage: KANN die Ukraine den Verteidigungskampf gegen Russland schon im Jahr 2023 gewinnen? Ja, möglich ist es. Derzeit zumindest verlieren die Russen sehr viel Material - ob das signifikant ist, ist natürlich unklar.


Ob die Ukrainische Offensive in Kherson und Kharkiv derzeit erfolgreich ist, werden wir wohl erst in einigen Wochen erfahren. Zuversichtlich stimmt ein wenig die teilweise offene Panik der russischen Militär-Telegramer.


Allerdings MUSS sich Russland mit aller Macht dagegen stemmen - denn sonst droht der Zerfall des letzten großen Kolonialreichs in die Einzelteile. Das wiederum hieße: Es würde wieder Gas fließen - denn ein Bürgerkrieg muss finanziert werden.


Sicher sind diese Szenarien natürlich nicht. Aber es ist ausgesprochen relevant, dass wir als Gesellschaft begreifen, dass uns ein Aggressor in einen Krieg gezwungen hat, den wir uns nicht ausgesucht haben. Jetzt müssen wir bestehen. Und ich glaube, das werden wir auch. 14/14


P.S.: Neben dem Preisdeckel für russisches Öl könnten mE nun auch wieder ein vollständiger Swift-Ban und auch ein Preisdeckel für Gas auf den Tisch kommen.


Top